Meg Wolitzer – Das weibliche Prinzip

Wir schreiben das Jahr 2006 und treffen in Meg Wolitzers Roman „Das weibliche Prinzip“ in einem Provinz College zum ersten Mal die schüchterne Studienanfängerin Greer Kadetsky. Warum gerade hier und jetzt? Nun, hier begegnet sie der berühmten Frauenrechtlerin Faith Frank und diese Begegnung wird zu einer dieser schicksalhaften Begegnungen, wie sie einem nur selten im Leben passieren, die aber unserer persönlichen Entwicklung eine entscheidende Wendung geben.

Greer hatte eigentlich gehofft, gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Cory in Princeton studieren zu können, doch während Cory einen Studienplatz an dieser Eliteuniversität ergattern konnte, muss Greer sich mit einem Platz in Ryland begnügen. Regelmäßig besuchen die beiden sich an den Wochenenden und schmieden gemeinsam Zukunftspläne. Doch in Greer brodelt es. Eifersucht, Kränkung, Vorwürfe an die Eltern, aber auch Gedanken an die vielen Möglichkeiten, etwas Besonderes aus ihrem Leben zu machen, bzw. nun nicht mehr machen zu können. Diese Gefühle beschreibt Meg Wolitzer in ihrem Roman besonders intensiv und hier hat mich die Geschichte auch stark an ihren wunderbaren Roman „Die Interessanten“ erinnert. Dieses Gefühlskarussell kennt jeder von sich selbst und darum gelingt es der Geschichte, uns mitzunehmen, uns mitfiebern zu lassen und bis zum Ende gebannt zu verfolgen wohin die Reise, in diesem Falle, von Greer und Cory geht.

Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es aber nicht nur um das Erwachsenwerden zweier Teenager, sondern Meg Wolitzer verbindet diesen Erzählstrang mit der Geschichte der Frauenrechtsbewegung in Amerika. Hierfür steht die charismatische Faith Frank. Sie hat ihre besten Jahre bereits hinter sich, hat vieles für die Sache der Frauen erreicht, ist Herausgeberin einer kritischen Frauenzeitschrift gewesen und unterstützt weltweit Projekte, die Frauen bei ihrer Selbstverwirklichung helfen. Doch die Frauenbewegung hat sich im Laufe der Zeit verändert und Faith und ihre Arbeit teilweise überholt. Ihre Popularität ist allerdings nach wie vor groß und auf Vortragsreisen sorgt sie immer noch für Begeisterung. Auf einer dieser Vortragsreisen kreuzen sich nun also die Wege von Greer und Faith und hier beginnt ihre gemeinsame Geschichte. Greer gerät völlig in den Bann der älteren Frau und ihre Bewunderung grenzt an einen Starkult. Hier sieht sie ein Vorbild, dem sie mit jeder Faser ihres Seins nacheifert. Tatsächlich gelingt es ihr nach dem Abschluss ihres Studiums in den erlauchten Kreis der engen Mitarbeiterinnen um Faith Frank einzutauchen. Ergeizig und für meine Begriffe etwas zu schwärmerisch, lässt sie sich mitreißen von all den hehren Zielen, bis sie endlich erkennt, dass auch Heldinnen irren können und ihre moralischen Vorstellungen nicht immer unumstritten sind. Beinahe hätte sie sich selbst und ihre Werte verraten, doch am Ende ist sie erwachsen geworden und traut sich zu, auf ganz eigenen Füssen zu stehen.

Während Greer hadert, hofft, strebt, nacheifert, sich abnabelt und schließlich selbst erfolgreich publiziert, sieht es bei Cory ganz gegensätzlich aus. Bei ihm läuft seit der Kindheit alles perfekt. Immer einer der besten in der Schule, intaktes Elternhaus, Studium in Princeton und gleich im Anschluss daran auf der Überholspur ins Berufsleben. Dann geschieht in der Familie ein tragisches Unglück und er bricht mit allem, was er bis dahin erreicht hat, um wieder Zuhause zu leben, seine Mutter aufzufangen. An diesem Punkt scheint die Beziehung mit Greer zu zerbrechen. Ob, beziehungsweise wie, die beiden ihr gemeinsames Leben gestalten sollte jeder selber lesen. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Meg Wolitzer hat die große Gabe Geschichten fließend und geschmeidig zu erzählen. Das mag manchem zu glatt erscheinen, doch ich mag diesen soghaften, unprätentiösen Schreibstil sehr.

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